Lohnt es sich zu glauben? Ich glaube schon.
Ich glaube, weil
- ich staune,
- ich mich entwickeln will,
- ich Mut schöpfen will,
- ich Glauben erlebe,
- es sicher nicht schadet.
Glaube ist für mich etwas sehr Persönliches - und zwar auf zwei Ebenen: Einerseits bin ich überzeugt, dass Glaube etwas Individuelles ist, jeder Mensch erlebt und definiert ihn anders. Andererseits erlaube ich Glaube als meinen persönlichen Tank, den ich während bestimmten - guten und schlechten - Zeiten füllen kann und aus dem ich in anderen Momenten schöpfen darf.
Ich staune
Wenn ich Landschaften sehe - Berge sprechen mich ganz besonders an - oder wenn ich mich mit den Phänomenen der Natur auseinandersetze, überkommt mich immer wieder ein grosses Staunen.
Wenn ich mir überlege, was es braucht, damit mein Körper meine Gedanken in Tastenanschläge auf dem Computer umsetzen kann oder wie ein Regenwurm seine Nahrung findet, entwickle ich grosse Ehrfurcht vor dem was hinter allen unseren naturwissenschaftlichen Erkenntnissen steht.
Wenn ich erlebe, wie ich mich in ganz besonderen Momenten mit ganz bestimmten Menschen verbunden fühle, entsteht bei mir eine Gewissheit, dass die Welt aus mehr besteht, als was wir erklären können.
Ich will mich entwickeln
Ich definiere meinen Glauben als Resonanzboden meines Gewissens. Ein Gewissen zu haben und danach zu handeln, setzt nach meiner Überzeugung keinen Glauben voraus. Der "Vorteil" des Glaubens ist, dass ich durch Gebete und Auseinandersetzung mit Glaubensthemen ein äusseres Momentum habe, das mein Gewissen stimuliert und mich dadurch weiterentwickeln lässt. Ohne Glauben liefe ich in Gefahr, dass mein Gewissen abstumpfen würde.
Der Aufruf zur "Umkehr" ist für mich einer der wichtigsten Appelle, der aus meinem Glaubensverständnisses herrührt. "Umkehr" ist für mich ein zu grosser Schritt, um nicht zu scheitern, lasse ich für mich "Veränderung" genügen: Ich möchte mich zum Guten hin verändern, auf diesem Weg bin ich unterwegs, aber noch lange nicht am Ziel.
Ich will Mut schöpfen
Vor einiger Zeit habe ich das Zitat "Mut ist Angst, die gebetet hat" entdeckt. Es hat mich ausserordentlich angesprochen, weil es mich an Momente meines Lebens erinnert hat, in denen ich Glaube besonders intensiv erlebt hatte.
Selbstverständlich ist "mutig" eine Beschreibung, die ein Mann gerne für sich in Anspruch nimmt. "Mut" hat in meinem Leben verschiedene Qualitäten.
Die "Mütchen", die ich als Mitglied einer Gruppe gehabt hatte, um eine der Gruppe unterlegene Person zu mobben, möchte ich lieber vergessen können. Sie waren und sie sind falsch und das Gegenteil von dem, was ich heute unter Mut verstehe.
Wenn ich in meinen jugendlichen Jahren ohne Sicherung eine über hundert Meter hohe Felswand durchklettert habe, war dies Wagemut; das Gefühl tat mir zwar gut, aber objektiv gut war es nicht.
Je älter ich werde, desto wichtiger wird mir De-Mut. Glaube lehrt mich Demut. Meine Gestaltungsmacht ist begrenzt, meine Kräfte sind es auch. Ich nehme dies in Demut hin. Wenn ich aber auf dem richtigen Weg bin, setzt der Glaube unerklärliche Energien frei. Der Glaube versetzt dann die sprichwörtlichen Berge. Es geht im Leben nicht darum, meinen Willen um- und schon gar nicht durchzusetzen, sondern es geht darum, meine Aufgabe im Leben zu erfüllen.
Der Mut, der mich in dem Zitat von Corrie ten Boom angesprochen hatte, ist der Mut, der nötig ist, um aus der eigenen Komfortzone hinaus zu treten, der Mut, den es braucht, wenn man einen Schritt gehen will, der dazu führen kann, dass das eigene Leben eine erheblich inhaltliche Veränderung erfährt. Manchmal führt dieser Mut auch dazu, dass man für seine Überzeugungen gegen den "Mainstream" schwimmt, dass man damit aus der Gruppe heraustritt und dass man dadurch - scheinbar - einsam wird. Die (vermeintliche) Einsamkeit ist ein Gefühl, dass viele Menschen davon abhält, das zu tun, was sie innerlich für richtig halten. In dieser und gegen diese Einsamkeit hilft der Glaube.
Ich habe in meinem Leben ein paar Schritte getan, in denen ich bewusst - nach meinen Massstäben - grosse Weichen gestellt habe. Beim Lesen von "Mut ist Angst, die gebetet hat" ist mir klar geworden, dass diesen Momenten intensive (aber oft sehr kurze) Gebete vorangegangen sind und mir der Entscheid und auch der erste Schritt in Richtung des neuen Weges leicht gefallen sind, weil ich mich getragen fühlte. Diese Momente waren für mich grosse Glaubenserlebnisse.
Ich Glauben erlebe
Glaube ist keine Grösse, die sich mit wissenschaftlichen Mitteln nachweisen lässt. Für mich genügt das empirische Erleben. Wie ich es auch schon in den vorstehenden Abschnitten beschrieben hatte, erlebte ich Glauben real. In meinem Leben ist der empirische Nachweis erbracht. Es ist nicht so, dass ich jeden Tag oder jeden Monat von einem Glaubenserlebnis berichten könnte. Aber ich habe schon mehrfach erlebt, wie der Glaube mein Leben beeinflussen kann.
Es sich sicher nicht schadet.
Für mich als rational-wissenschaftlicher Mensch würde es helfen, wenn ich für den Glaube wissenschaftliche Belege darbringen könnte. Der rationale Teil meines Ichs stellt immer wieder die Fragen wie:
- Woran muss ich glauben? Wie muss ich glauben? (Forschendes Denken)
- Kritisches Denken: Kann ich dies überhaupt glauben? (Kritisches Denken)
- Was wäre, wenn ich mich täuschen würde? (Zweifelndes Denken)
Meine aktuelle Antwort auf meine zweifelnden Fragen lautet: Es wäre überhaupt nicht schlimm, wenn ich mich täuschen würde, weil ich – soweit ich aufgrund meiner inneren Glaubensüberzeugung handle –, zumindest einen positiven Beitrag an die Verbesserung der Qualität des diesseitigen Lebens in der Gesellschaft erbracht hätte.